Der Vagusnerv: Echter Relax-Knopf oder Hype? Was die Wissenschaft dazu sagt.
- melanie.srh
- 19. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Fühlt sich dein Leben gerade auch so eng getaktet an? Spürst du, wie der Stress manchmal einfach zu viel wird und du am liebsten per Knopfdruck herunterfahren würdest?
Überall liest man vom Vagusnerv – dem angeblichen Lifehack gegen Stress, Müdigkeit und für mehr Wohlbefinden. Aber ist dieser Hype wirklich gerechtfertigt? Ich gehe hier darauf ein, was Forscher wie Prof. Kroemer vom Universitätsklinikum Tübingen dazu sagen.
Dein Vagusnerv: Die superschnelle Verbindung zwischen Körper und Gefühl
Stell dir deinen Vagusnerv als eine ultraschnelle Datenautobahn vor.
Er verbindet dein Gehirn direkt mit deinen wichtigsten Organen – Magen, Herz, Lunge – und flüstert deinem Kopf zu, wie es deinem Körper wirklich geht. Er hilft dir, intuitiv das Richtige zu tun. Aber: Die Vagusnervstimulation ist kein pauschales Wundermittel. Zu sagen, dass sie immer Entspannung bringt, wäre schlicht falsch. Die Wirkung hängt stark von deiner aktuellen Situation ab.
Wenn du satt bist, unterstützt der Vagusnerv Verdauung und Wohlgefühl. Wenn du hungrig bist, wirkt die Stimulation eher aktivierend und motivierend. Es ist genau dieses magische Wechselspiel aus Anspannung und Entspannung, das wir besser verstehen und nutzen wollen.
Was uns die Forschung zeigt (und was auf Social Media selten erwähnt wird)
Ja, der Vagusnerv hat enormes Potenzial. Die Wissenschaft schaut besonders bei Themen hin, die viele Menschen gewaltig belasten – Long/Post-COVID, Fatigue oder depressive Symptome mit Antriebslosigkeit.
Am Uniklinikum Tübingen untersuchen Forschende den Nerv mit zertifizierter, professioneller Stimulation über das Ohr. So wird analysiert, wie der Vagusnerv das Gehirn wirklich beeinflusst und wie die Informationsweiterleitung im Körper wieder ins Gleichgewicht kommen kann.
Was du selbst sofort tun kannst
Vorsicht: Geld und der große VNS-Hype. Online werden viele Geräte verkauft, die einiges versprechen. Doch viele dieser Systeme haben keinerlei aussagekräftige Studienlage. Manche Firmen geben mehr Geld für Marketing aus als für Forschung.
Du brauchst nicht zwingend ein Gerät. Atemtechniken wie tiefes Atmen oder eine verlängerte Ausatmung wirken nachweislich entspannend und helfen deinem Nervensystem, zur Ruhe zu kommen.
Eine Möglichkeit ist die sogenannte verlängerte Ausatmung: vier Sekunden einatmen, sechs bis acht Sekunden ausatmen – langsam, weich, ohne Druck.
Manche Menschen empfinden auch eine sanfte Ohrmassage als angenehm. Am Ohr verlaufen einige fasernahen Bereiche des Vagusnervs, die du mit kleinen, kreisenden Bewegungen anregen kannst, zum Beispiel die kleine Vertiefung direkt über dem Gehörgang oder die Mulde oberhalb des Ohrläppchens. Diese Berührungen können helfen, Spannung zu reduzieren und etwas Ruhe in den Körper zu bringen.
Was dabei wichtig ist:

Unklar ist bisher, wie gut mechanische Stimulation (Halsmassagen, Bienensummen, Gurgeln) tatsächlich wirkt. Die Studienlage ist dünn, was aber nicht bedeutet, dass du es nicht ausprobieren darfst.
Jede Person reagiert anders, und auszutesten, was deinem Wohlbefinden guttut, ist absolut sinnvoll.
Nur eines ist wichtig zu wissen: Massagen am Körper oder vibrierende Steine auf der Brust aktivieren den Vagusnerv nicht direkt, weil seine Fasern nur am Hals und am Ohr wirklich oberflächennah verlaufen. Die Forschung arbeitet aktuell mit Hochdruck, verlässliche Vagusnerv-Entspannungstechniken zu finden. Bis man hier richtige wissenschaftliche Methoden hat, kann es jedoch noch Jahre dauern.
Am wirkungsvollsten kann es sein, Atemübungen und Berührung zu kombinieren: während du das Ohr massierst, atmest du ruhig ein – und doppelt so lang wieder aus. Dein Nervensystem reagiert auf genau diese Mischung aus sanfter Stimulation und bewusster Atmung besonders empfänglich.
Es geht darum, in deinem Körper nach Hause zu kommen, dich zu spüren und einen Moment lang nicht funktionieren zu müssen.
Es ist absolut erlaubt, dich bewusst in dich selbst hineinzulehnen und der inneren Zweiflerstimme eine Pause zu gönnen. Probiere ruhig aus, was deinem eigenen Wohlbefinden dient – ganz unabhängig vom Vagusnerv. Jede Person reagiert anders.
Bis dahin gilt: Vertraue darauf, dass du an dich glaubst. Jeder kleine Schritt, den du für dich gehst, ist der Anfang von etwas Neuem.
Deine Melanie


Kommentare